«Wer liest, erhält ein zweites Paar Augen!»
von Ph. Müller Autorenlesung mit Peter Niklaus
Peter Niklaus und seine Hauptprotagonistin Clara
Als ehemaliger Vorsteher der Sekundarschule und Leiter des 10. Schuljahres im Frohheimschulhaus in Olten hat Niklaus nach 15 Jahren in der wohlverdienten Pension nichts verlernt. Er erzählte zu Beginn von seinem immer noch guten Verhältnis mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern. So hat er sich erst kürzlich mit dem international bekannten Fotografen Marco Grob – welcher ursprünglich aus Winznau, also aus einer der Kreisgemeinden stammt – zum Mittagessen getroffen. Grob hatte schon viele bekannte Persönlichkeiten vor seiner Linse, so zum Beispiel auch viele US-Präsidenten.

Auch neben seiner Tätigkeit im Schulbetrieb war und ist Niklaus sehr engagiert, sei es als Privatpilot, als Förderer der Musikschulen und als Gründer der Oltner Kabaretttage. Noch heute ist er als Co-Präsident des Vereins «Freundinnen und Freunde des gepflegten Buches» aktiv, welche auch die Leseförderung, wie beispielsweise diesen Besuch, unterstützt.
Seit 2023 ist nun noch eine weitere Beschäftigung dazugekommen, die des Autors. So sind mittlerweile zwei Bücher entstanden und in den Erstling durften die sechs teilnehmenden Klassen der zweiten Oberstufe einen spannenden Einblick gewinnen.
Eine wichtige Frage, beantwortete diese Lesung sehr eindrücklich: Wie findet sich überhaupt eine Geschichte, welche das Potential hat, in einem Buch erzählt zu werden?
Im Jahre 1991 – dem Jahr des 700-Jahr-Jubiläums der Schweizerischen Eidgenossenschaft – plante Peter Niklaus mit seiner Familie eine Reise nach Florida. Mit dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral, dem Disney World und vielen anderen Sehenswürdigkeiten gibt es auf dieser riesigen Halbinsel unglaublich viel zu entdecken. Als sie dem Vater seiner Frau von den bevorstehenden Ferien berichteten, eröffnete dieser plötzlich, dass dort seine Schwester Clara lebe. Diese unerwartete Nachricht schlug ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel, hatten sie doch bis anhin nie etwas von dieser Tante gehört.
Eine beeindruckende, berührende Lebensgeschichte

So kam es dazu, dass sie sich im fernen Amerika auf die Suche nach der Verwandten begaben. Bei der bekannten Adresse wurden sie allerdings nicht fündig, war die Gesuchte doch seit geraumer Zeit verzogen. Dank ehemaliger Nachbarn gerieten sie jedoch in den Besitz einer Telefonnummer aus New Orleans und tatsächlich, so liess sich ein Kontakt herstellen. Der erste Austausch mit der Tochter von Clara verlief sehr herzlich und so nahm die Familie die achteinhalbstündige Fahrt von Florida nach Lousiana auf sich.
Dort trafen sie die mittlerweile 94 Jahre alte Clara, welche auch nach all den Jahren in der Fremde immer noch fliessend Schweizerdeutsch sprechen konnte und sogar noch viele alte Lieder wie «s’Ramseiers wei go grase» aus ihrer Schulzeit kannte. So blieb die Familie Niklaus die folgenden drei Tage bei den amerikanischen Verwandten auf Besuch und bei der Verabschiedung wäre Clara am liebsten mitgekommen, um ihren Vater – welcher bereits vor Jahren gestorben war – wiederzusehen. Eine leichte Demenzerkrankung liess die alte Frau in ihrer Vergangenheit leben. Eine Vergangenheit in der Schweiz, welche sie 1913 mit 16 Jahren «Nur für ein Jahr» hatte verlassen wollen und die sie dank Irrungen und Wirrungen der Weltgeschichte erst mit 51 Jahren ein erstes und letztes Mal wiedersehen konnte.
Peter Niklaus in seinem Element
Diese eindrückliche und lesenswerte Lebensgeschichte liess Peter Niklaus mit vielen Bildern und eindrücklichen Schilderungen hochleben. Seine Schilderungen regte bei den Jugendlichen die Fantasie an. Innere Bilder dieser Reise entstanden, so wie dies beim Lesen auch der Fall ist. Dies ist wohl auch die Quintessenz dieser spannenden Begegnung: «Wer gerne liest, erhält ein zweites Paar Augen. Nicht gegen aussen, sondern gegen innen. Es sind die Bilder, welche in unserer Imagination entstehen.»
