Begegnung mit lebendiger Schweizer Geschichte

von Ph. Müller

Wie sich jemand mit einer Jack-Wolfskin-Jacke verrät

Ein Vorwurf im Geschichtsunterricht ist jeweils derjenige, weshalb man sich mit Vorgängen befassen soll, welche sich bereits vor so langer Zeit zugetragen haben. Daraus ergibt sich der Ansporn bei historischen Themen einen Aktualitätsbezug herzustellen. Im Zusammenhang mit der Schweizer Geschichte ist dieser Transfer gut möglich. Die Päpstliche Schweizergarde in Rom existiert seit nunmehr 511 Jahren und gilt als Relikt der Reisläuferei der alten Eidgenossenschaft.

Menschenkunde der besonderen Art
Matthias Zimmerli aus Trimbach stand von 2013 bis 2016 im Dienst der Päpstlichen Schweizergarde und war so als Teil der 110 Mann starken Truppe für den Schutz des „Pontifex Maximus“ mitverantwortlich. Logischerweise konnte er so aus dem Vollen schöpfen und den 50 Jugendlichen der Klassen E1ab viele Erlebnisse erzählen.

Erstaunt waren die Schülerinnen und Schüler, wie man es schafft zwei Stunden lang bockstill mit Hellebarde dazustehen und als Schildwache einen Ehrendienst zu leisten. Zimmerli betonte die Wichtigkeit dieser Tätigkeit, ist man doch das Aushängeschild des Vatikanstaates und stellt für viele Besucher den ersten Kontakt dar. Somit begrüsst man die zahlreichen Gäste auch im Namen des Papstes.

Dass man bei dieser Tätigkeit auch viel beobachten und interpretieren kann, liegt auf der Hand. So zeigt sich auch, dass man Besucherinnen und Besucher aufgrund ihrer Kleidung der Nationalität zuordnen kann. Trägt jemand eine Jack-Wolfskin-Jacke ist die Herkunft mit Deutschland oder Schweiz fast zu hundert Prozent bewiesen. Was dies nun für die persönliche Garderobe bei der nächsten Rom-Reise bedeutet, sei jedem selbst überlassen ...

Zwei Päpste zu Gesicht bekommen
Wie hinlänglich bekannt ist, hat sich Benedikt XVI. ja von seinem Amt zurückgezogen und lebt seither in einem Kloster im Vatikanstaat als emeritierter Papst. Matthias Zimmerli hatte während seiner Gardezeit das Glück, beiden Päpsten begegnen zu dürfen, dem aktuellen Amtsinhaber Franziskus I. und seinem Vorgänger. Jeweils zum Geburtstag von Joseph Ratzinger spielt das Musikcorps der Schweizergarde seinem ehemaligen Dienstherrn ein Ständchen. Als Tambour kam somit auch Matthias Zimmerli in den Genuss dieser Begegnung.

Sowieso setzt jeder Papst dem Amt seinen Stempel auf. Der aktuelle Amtsinhaber ist ein absoluter Publikumsmagnet, so dass die Schweizergarde bei den traditionellen Mittwochsaudienzen mit bis zu 100'000 Gläubigen zurechtkommen muss, eine wichtige und nicht immer einfache Aufgabe.

Eine tolle Erfahrung, aber zu grossen Teilen auch „nur“ ein Job
Sieht man Bilder der Gardisten in ihren prachtvollen Uniformen, neigt man dazu diesen Dienst zu glorifizieren. Diese Momente stellen jedoch nur einen kleinen Teil des Aufgabenspektrums dar. Ein grosser Teil besteht aus Wacht- und Ordnungsdienst und dies stellt eine ganz normale Arbeit dar, so wie es in anderen Berufen im Sicherheitsbereich ebenso vorkommt.
Trotzdem gibt es auch tolle Momente und Begegnungen. So bleiben beispielsweise Einsätze bei Staatsbesuchen – Queen Elisabeth II. von England mit Gatten und Wladimir Putin, der russischen Präsident – unvergessen.

Schlussendlich ist und bleibt es ein Faszinosum, dass die Päpstliche Schweizergarde seit über einem halben Jahrhundert besteht und nach wie vor ihre Berechtigung hat. So lebt die Geschichte und bleibt nicht vor 500 Jahren stehen!

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